Gips-Schüle-Forschungspreise 2021 für Forscherinnen und Forscher der Universität Stuttgart und des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT)

Gewinnerteam des Gips-Schüle-Forschungspreises Stiftungsvorstand Dr. Stefan Hofmann, Prof. Dr. Harald Giessen, Dr. Simon Thiele, Prof. Dr. Alois Herkommer, Aufsichtsratsvorsitzender Dr. Walter Schwenk. Bildquelle: Gips-Schüle-Stiftung

Am 19. Oktober verlieh die Gips-Schüle-Stiftung in Stuttgart den mit 50.000 Euro dotierten Gips-Schüle-Forschungspreis und den mit 15.000 Euro dotierten Joachim-Reutter-Preis für soziale Innovation.

Stuttgart, 14.10.2021: "Technik für den Menschen" lautet das Motto, unter dem die Gips-Schüle-Stiftung alle zwei Jahre ihre Preise verleiht. Die Bewertungskriterien sind Interdisziplinarität, Innovationspotential und Anwendungsbezug in Verbindung mit gesellschaftlichem Nutzen. Siebzehn Vorschläge von Forschungseinrichtungen und Hochschulen quer durch Baden-Württemberg wurden in diesem Jahr eingereicht. Beim Forschungspreis liegt der Fokus auf technischer Innovation, während beim Joachim-Reutter-Preis der soziale Anwendungsbezug im Vordergrund steht. In diesem Jahr ist der Sonderpreis für soziale Innovation dem ehemaligen Stiftungsvorstand Joachim Reutter gewidmet. Er war von 1974 - 2008 Vorstand der Gips-Schüle-Stiftung.

Die Preisverleihung mit rund 200 geladenen Gästen aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Stiftungswesen findet im Rahmen einer feierlichen Abendveranstaltung - unter Einhaltung aller aktuell geltenden Auflagen - am 19.10.2021 im Friedrichsbau Varieté in Stuttgart statt. Im inhaltlichen Fokus stehen in diesem Jahr, neben der Arbeit der Preisträger, auch weitere durch die Gips-Schüle-Stiftung unterstützte Forschungsprojekte verschiedener Universitäten.

Gips-Schüle-Forschungspreis 2021: Die kleinsten Miniaturoptiken der Welt mithilfe von 3D-Druck für neuartige Endoskope und Sensoren

Den Gips-Schüle-Forschungspreis 2021 erhält das Team von Prof. Dr. Harald Giessen, Prof. Dr. Alois Herkommer und Dr. Simon Thiele von der Universität Stuttgart. Die Forscher entwickelten die 3D-Drucktechnik sowie neue Materialien und Prozesse, um die kleinsten Miniaturoptiken der Welt, zusammen mit ihren Teams am 4. Physikalischen Institut und am Institut für Technische Optik unter dem Dach des interdisziplinären Forschungszentrums SCoPE (Stuttgart Research Center of Photonics Engineering), herzustellen.

Vor dieser Erfindung war die Mikrooptik durch meist kugel- oder halbkugelförmige Glasoptiken in der Leistungsfähigkeit limitiert. Durch die Arbeiten der drei Forscher konnten 3D-gedruckte Linsen mit komplexen Flächen hergestellt werden, die viel geringere Abbildungsfehler aufweisen und dadurch wesentlich leistungsfähiger sind als herkömmliche Optiken.

Auch mehrlinsige Systeme konnten durch den 3D-Druck realisiert werden. Dadurch wurden extrem gute Abbildungsoptiken wie Ultraweitwinkelsysteme möglich, die vor allem für Endoskope mit höchster Abbildungsqualität wichtig sind. Der 3D-Druck ermöglicht dabei nicht nur die Mikrooptiken, sondern auch die Stützstrukturen in einem Prozessschritt herzustellen.

Die Wissenschaftler entwickelten zusätzlich Systeme aus mehreren Druck-Materialien, die Farbfehler der Mikro-Objektive korrigieren konnten. Hierzu wurde eine große Klasse von neuen 3D-druckbaren Materialien durch die Kombination von Polymeren und Nanopartikeln verwirklicht. Auch weitere Techniken wie zum Beispiel das Einbringen von geschwärzten absorbierenden Stoffen zur Realisierung von Blenden konnten erarbeitet werden. Für den Designprozess dieser sehr kleinen Optiken haben die Forscher spezielle Simulationsprogramme entwickelt.

Es konnte erstmals gezeigt werden, dass solche hoch qualitativen Mikrolinsen, die Durchmesser von nur wenigen Mikrometern bis zu 2 mm hatten, direkt auf Glasfasern aufgedruckt werden können. Somit wurde eine komplett neue Art von optischem Endoskop realisiert, das weit über den früheren Stand der Technik herausragt. Ein 3D-Druck auf CMOS Miniatur-Kamerachips, die als optischer Bildsensor funktionieren, ist durch die Forschungsergebnisse genauso möglich geworden wie der parallele Druck einer Kombination aus Weitwinkel-, Normal-, und Tele-Objektiv auf einen Chip, um elektronisch zu zoomen und den Blickwinkel zu verändern. Zudem konnte durch diese Technik ein Miniatur-Spektrometer mit einem Durchmesser von 0.1 mm demonstriert werden. Die massive Miniaturisierung bietet zusätzlich ein großes Anwendungspotenzial in vielen Bereichen wie Messtechnik, Produktions- und Prozessüberwachung, Robotik, etc. Eine große schwäbische Firma testete die Optiken der Stuttgarter bereits in Sensoren, die für autonomes Fahren eingesetzt werden sollen.

Aktuell arbeitet das Team unter anderem an beweglichen oder variablen Mikrooptiken sowie an Beschichtungstechniken für die Entspiegelung.

Erste Schritte in die medizinische und industrielle Anwendung

Zusammen mit der Firma KARL STORZ in Tuttlingen im Rahmen des BMBF Projektes PRINTOPTICS erprobten die Forscher ihre neue Technik mit medizinischen Endoskop-Systemen und konnten Möglichkeiten realisieren, die vorher undenkbar waren: Zum Beispiel wurden Endoskope gebaut, die durch ihren großen Blickwinkel gleichzeitig Aufnahmen nach vorne und zur Seite erlauben und dabei farbtreue und verzerrungsfreie Bilder liefern. Zudem passen sie mit ihrem geringen Durchmesser in engste Adern, in kleinste Drüsenkanäle und sogar in Zahnwurzeln.

Kommerzialisierung der Technologie durch Startup

Dr. Simon Thiele, der Doktorand am Institut für Technische Optik war, hat zusammen mit einem seiner Masterstudenten ein Spin-Off gegründet, die Firma Printoptics TGU, die sich der Kommerzialisierung dieser innovativen Drucktechnik verschrieben hat. Sie bietet zum einen vom optischen Design, von der Entwicklung des Druckprozesses bis hin zur Produktion von Kleinserien der Optiken die gesamte Wertschöpfungskette an. Zum anderen werden dort neue Endoskopmodelle entwickelt. Auch Anwendungen in der integrierten Quantentechnologie bei der Kombination von Einzelphotonenquellen und Glasfasern und bei optischen Pinzetten für einzelne Atome werden von der Firma in Zusammenarbeit mit den Physikern an der Universität Stuttgart entwickelt.

Neben den bereits über 30 veröffentlichten wissenschaftliche Publikationen kümmern sich die Forscher um die Patentierung der Technologie zusammen mit dem Technologie-Lizenz-Büro der Baden-Württembergischen Hochschulen. Unterstützung für das Projekt kam vom Ministerium für Bildung und Forschung, von der DFG im Rahmen eines Graduiertenkollegs, vom Quantenzentrum IQST, von der Baden-Württemberg-Stiftung, von der EU über einen ERC Grant (Proof of Concept) sowie vom MWK Baden-Württemberg und der Vector-Stiftung. Ganz besonders heben die Forscher die großartige Zusammenarbeit mit der Karlsruher Firma Nanoscribe GmbH hervor, die viele der Techniken durch ihre High-Tech Produkte erst ermöglicht hat.

Joachim-Reutter-Preis für soziale Innovation 2021: Projekt "Quartier Zukunft - Labor Stadt" für Nachhaltigkeitsforschung im Reallaborformat

Der Joachim-Reutter-Preis 2021 geht an Dr. Oliver Parodi und seine Forschungsgruppe Nachhaltigkeit und gesellschaftliche Transformation am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Ausgezeichnet wird das Reallabor-Projekt "Quartier Zukunft - Labor Stadt", das zu Grundlagen nachhaltiger Entwicklung forscht und hierfür in Allianz mit zivilgesellschaftlichen Akteuren Experimentierräume für soziale oder technische Nachhaltigkeitssinnovationen im Kontext des Alltags eröffnet.

Auf dem Weg zu einer Kultur der Nachhaltigkeit

Zentraler Ansatzpunkt des Quartier Zukunft ist es, die globalen Problemlagen und Herausforderungen im Alltagshandeln der Akteure in der Stadt zu thematisieren und anzugehen. Diese Sensibilisierung regt zum Umdenken an und fördert eine behutsame gesellschaftliche Transformation. Es strebt im Modus eines Reallabors danach, Nachhaltigkeit in all ihren Facetten (sozial, ökonomisch, ökologisch, kulturell, institutionell, individuell) zu einer ernstgemeinten aber unaufgeregten, selbstverständlichen Kultur der Nachhaltigkeit zu verhelfen. Das Reallabor befindet sich dabei an der Schnittstelle zwischen Gesellschaft und Wissenschaft. In einer Fülle von Projektaktivitäten werden Impulse für eine zukunftstaugliche Lebensweise gegeben und beforscht, die von breitenwirksamen, niederschwelligen Angeboten bis hin zu längerfristigem Empowerment lokaler "Change Agents" reichen: Mit dem Projekt Klimaschutz gemeinsam wagen! werden CO2-Einsparpotentiale bei Ernährung, Mobilität und Konsum erkannt und realisiert, mit Energiewende im Dialog, GrüneLunge und Dein BalkonNetz richtete sich der Blick letzthin verstärkt auf technische Zusammenhänge, Resilienzaspekte sowie Ökosystemdienstleistungen als Treiber nachhaltiger Entwicklung. KARLA bringt nachhaltigen Klimaschutz in Karlsruhe modellhaft und eng verzahnt mit der Stadt und einer Vielzahl weiterer Akteure voran, bewertet geplante Klimaschutzmaßnahmen auf Nachhaltigkeitsaspekte hin und führt reale Transformationsexperimente durch. Zudem hat das Projekt den "Klimapakt" initiiert, den die Karlsruher Hochschulen und die Stadt im September 2021 unterzeichnet haben.

Preisgeld zur Unterstützung der Forschungs-, Praxis- und Bildungsziele

Mit dem Preisgeld möchte das multidisziplinär aufgestellte Team gleichermaßen die Forschungs-, Praxis- und Bildungsziele des Quartier Zukunft unterstützen. Entsprechend der bestehenden Strategie wird das Preisgeld teils wirkungssteigernd weitergereicht, teils für eigene Forschungsbedarfe eingesetzt. Konkret sollen zum einen etwa temporäre Gastaufenthalte von an Nachhaltigkeitsthemen interessierten Forschenden aus dem Ausland (auch geflüchteten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern) unterstützt werden, die die Arbeit im Karlsruher Reallabor kennenlernen wollen. Zum anderen werden damit transdisziplinäre Methodensets entwickelt zur spezifischen Anwendung in Unternehmen und Kommunen.

Über die Gips-Schüle-Stiftung

Die Gips-Schüle-Stiftung fördert Forschung, Nachwuchs und Lehre in Baden-Württemberg. Der Fokus liegt dabei auf den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) sowie auf interdisziplinären Projekten. In ihrem Wirkungsraum Baden-Württemberg arbeitet die Stuttgarter Stiftung eng mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen zusammen und ermöglicht die Durchführung zukunftsweisender Forschungsprojekte. Sie finanziert Stiftungsprofessuren, vergibt Stipendien, unterstützt Studienbotschafter zur Anwerbung von Abiturienten für MINT-Fächer und Projekte zur Lehreraus- und -fortbildung. Alle zwei Jahre verleiht die Stiftung ihre mit 65.000 Euro dotierten Forschungspreise sowie jährlich den mit insgesamt 20.000 dotierten Gips-Schüle- Nachwuchspreis. Weitere Informationen unter www.gips-schuele-stiftung.de

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